Montag, 18. Mai 2009

Bild vs Ton

Immer wieder regt sich in mir Zorn wenn ich in zahllosen Dokumentationen oder Nachrichten miterleben muss, wie Ton und Bild beim besten Willen nicht zusammenpassen. Und damit meine ich jetzt nicht, dass beim Schnitt schlecht synchronisiert wurde, sondern dass der Kommentar etwas ganz anderes widergibt als die Bilder offensichtlich zeigen. Das schlimme ist, dass die Aussage des Kommentars im Kopf hängen bleibt - deswegen waren (oder sind, falls es sie noch gibt?) die frühen Euronews Features ohne Sprecher auch immer so wunderbar viel ansehnlicher als die vielen übrigen Newsmeldungen, weil man sich ganz einfach selbst ein Bild von der Lage machen konnte.

Hier heute mal ein schönes anschauliches Beispiel von der Bild des Internets: 13 jährige trinkt sich ins Koma. Ganz unabhängig von dem Nachrichtenwert der Geschichte ist unüberhörbar, wie dem Textverfasser das Thema Trunksucht bei Jugendlichen so sehr im (vermutlich ebenso vollktrunkenen) Kopf surrte, dass der Text teilweise so gar nicht zum Geschehen passen will.
Nachdem es heißt, dass die Volltrunkene "einfach so ins Gras gelegt" worden sei (man fragt sich was betrunkene Reporter wohl in so einer Situation besser gemacht hätten als die anwesenden betrunkenen Freunde der 13jährigen), sieht man diverse Jugendliche, die versuchen den bildhungrigen Kameramann daran zu hindern eine hilflose Jugendliche auf einer Krankenliege zu filmen während aus dem Off vielsagend erklingt, die "Jugendlichen würden einfach so weitertrinken" und "seien vom Ende der Party offensichtlich nich begeistert". Und man sieht die ganze Zeit über immer nur wieder wie die Anwesenden sich einerseits um die 13jährige kümmern und andere, die versuchen die zweifelsohne störende Kamera zum Beenden der vollends unnötigen Aufnahmen zu bringen. Klar, dass soetwas nicht unkommentiert hingenommen werden kann.

Mittwoch, 6. Mai 2009

Politiker Stopp ./. visionäre Internet-Ausdrucker

Wo ich grad bei der für unsereins schwerlich nachvollziehbaren Perzeptionswirklichkeit der gesetzgebenden Menschen war, darf auch dies hier nicht zu kurz kommen, da ich da vor kurzem drüber stolperte.

Eine sehr schöne, unterstützenswerte Aktion namens Politiker-Stopp, die genau darauf abzeilt, dass diejenigen die keine Vorstellung davon haben, was das Internet sein könnte oder wieso die Leute, die dies benutzen, ebendies so tun, genau diejenigen welchen sind, die das Internet und seine Benutzung auf Gesetzesebene regulieren. (Das ist hierzulande übrigens im Grunde genommen so ähnlich bloß weniger lustig wie mit Ted Stevens und seiner Series of Tubes, die für ihn das Internet am anschaulichsten repräsentierten, für Internet-User aber natürlich ganz und gar lächerlich wirken. Mit dem Unterschied, dass bevor er Zensurgesetze einbringen konnte er jetzt beinahe verknackt worden wäre..)

Jedenfalls bei genannter Aktion geht es darum, dass das Klischee des Polikerwesens realitätsnah besagt, dass dieses selbst niemals einen Browser bedienen würde und aber Websites sperren oder skandalisieren will/möchte/muss (Gewalt!Chemie-Baukasten-Anleitungen!), diese ja zuvor sehen muss/sollte und diese ihm bzw ihr daher in ausgedruckter Form vorgelegt werden müssen, oder in extremen Ausnahmesituationen womöglich sogar höchstpersönlich Websites ausdruckt.

Da bei Stylesheets die Möglichkeit ein eigenes Aussehen der Website für den Ausdruck zu erstellen explizit vorgesehen ist, ist die Umsetzung der Ausdruckverunmöglichung (bzw natürlich die erhebliche Erschwerung für Laien) sehr einfach und eine sehr schöne unterstützenswerte Aktion.

Allerdings haben die gesetzgebenden Internet-Ausdrucker dies, als hätten sie es vorhergesehen, tatsächlich per Telemediengesetz verboten! Die Website und aber vor allem zumindest das Impressum, das ja bekanntlich immer maximal zwei Klicks von jeder Seite entfernt sein muss usw. usf., muss nämlich archiviert werden können, und das heißt - selbstverständlich - im allgemeinen juristendeutch, dass es ausgedruckt werden können muss!

Ich will jetzt ganz sicher nicht dazu aufrufen das CSS nicht einzubinden sondern vielmehr die Absurdität, dass das Telemediengesetz offenbar tatsächlich (ich würde mich gerne vom Gegenteil überzeugen lassen) eine Ausdruckbarkeitspflicht vorsieht hervorheben. Seltsam, dass das niemals jemand fürs Fernsehen gefordert hat!?

Regierung vs Lebensrealität

Zugegeben, es gibt zahlreiche Bundesbürger ohne Internetzugang. Dieser Anteil wird natürlich proportional größer je mehr man die Personengruppe auf höhres Alter beschränkt.

Für den Großteil der ab den 70er Jahren Geborenen bedeutet die aktuelle Debatte um Zensur im Internet - auch wenn die meisten dies zugegeben leider nicht ahnen oder erkennen - über kurz oder lang eine einschneidende Veränderung der Umstände.

Umso krasser wirkt dann - und da wird dann auch deutlich wie in den letzten Wochen so ignorant mit dem Holzhammer und jeder Menge Scheuklappen das Sperrgebot durchgeprügelt werden konnte - wenn bei der diesbezüglichen Debatte im Bundestag die gesamte Regierung nicht anwesend ist. Ich zumindest merk erst dadurch, wie weit entfernt von der Lebensrealität jener Menschen, die sich für alle selbstverständlich jeden Tag im Internet bewegen, die Senioren in den Regierungsbänken schon sind.

Wie kann überhaupt irgendwer auf die Idee kommen, man könne die eigene Meinung durch andere Menschen vertreten lassen (so naiv das für sich alleine schon klingen mag), wenn die Schnittmenge von deren Perzeptionswirklichkeit und der eigenen so unsagbar gering ausfällt?

Sonntag, 3. Mai 2009

Schweinegrippenhysterie fehlgeschlagen?

Da wird seit Tagen eine gigantische Massenhysterie aufwändig in Gang gesetzt und dennoch will es einfach nicht so richtig fruchten, Witze über die Medienpanik in Bezug auf die H1N1 Grippe sind überall wo man auch hinschaut eine Selbstverständlichkeit. Dabei hätte sicher allein eine Massenbevorratung einen spürbaren Positiveffekt in Sachen Konsumverhalten vs. Wirtschaftskrise gezeitigt. Immerhin sind hierzulande in den Großstädten am Wochenende aber allen Ernstes schon vereinzelt Partygänger mit OP-Masken auf den Straßen gesichtet worden, es besteht also noch Hoffnung!

Enttäuschend, dass es anders als bei diversen Threat Levels und Untergangszustandsanzeigen keine beängstigende, blinkende allgegenwärtige Anzeige der WHO Pandemic Alert Phase jenseits der wenig eindrucksvollen offiziellen Statusseite gibt. Nach viel Suchen bin ich lediglich bei Twitter in Sachen bunte Paniklevelanzeige fündig geworden, alle naheliegenden Domains sind von langweiligen Domaingrabbern in Beschlag genommen, die statt dann wenigstens einen lustigen Threatlevel anzuzeigen lediglich die üblichen Ads einblenden. Schade, da hätte man mehr draus machen können.

Gut, dass dann wenigstens einer sich bemüht die Panik eine ganze Stufe raufzuschrauben: Joe Biden bringt's mal wieder (ab 2:23): Bloß nicht Flugzeug fliegen oder U-Bahn nehmen!


Sehr gut auch der vergebliche Rettungsversuch von Robert Gibbs, der darlegt was der Vizepräsident "wirklich meinte" und dafür vom White House Press Corp nur Gelächter erntet:

Neues Regierungsprogramm

Interessante Kehrtwendung: http://twitter.com/cdu_news/status/1679609521 :)

Falls das wider den Gepflogenheiten im Twitter-universum nachträglich entfernt werden sollte, hier nochmal als Screenshot:




Update:Der Hack ist wohl vorbei, neuer Tweet bei cdu_news: "24-Stunden-Hack hiermit beendet! Eure E-Mail-Adresse ist wieder frei. Holt euch euer neues Passwort! Gegen Internet-Zensur! #zensursula"

Samstag, 2. Mai 2009

Willkommen in Hamburg: Spitzeln oder Abschiebung

Über die Anwerbung von V-Leuten hüllt der Inlandsgeheimdienst sich üblicherweise in Schweigen. In der linken Szene Hamburgs weiß man von den forwährenden Anwerbeversuchen durch den Verfassungsschutz schon ein Lied zu singen. Vor wenigen Tagen ist nun ein Fall öffentlich geworden, der beispielhaft eine vermutlich nicht unübliche Verfahrensweise aufzeigt, wie der VS in seiner Not nun mittlerweile zuvor gänzlich Unbeteiligte als Informanten zum Spitzeln akquiriert. Dass das Engagement als Spitzel unter Druck geschehen kann, überrascht sicher nur die wenigsten:

In Sachsen-Anhalt zum Studium zugelassen, verlor Yassir M. seinen legalen Aufenthaltsstatus in der BRD ohne sein Wissen, als er einen Studiengangs- und Ortswechsel vornahm. Eine banale Alltagssituation wie die Überprüfung seiner Papiere beim Befahren der U-Bahn ohne Fahrschein leitete den ganzen Verlauf der Geschichte dann ein: Nachdem er und die Behörden nun von dem ungesetzlichen Aufenthaltsstatus wussten, riet ihm die Ausländerbehörde Hamburgs zu einem Asylantrag - obwohl er sich explizit als Student und nicht als politisch Verfolgter in Hamburg aufhalten wollte - und brachte ihn damit noch in tiefere Probleme, da ihm dadurch nun umso mehr die Abschiebung drohte ("Asylbetrug").
Im selben Atemzug aber verwies die Ausländerbehörde auf den Mitarbeiter "Nils", der ihm in seiner speziellen Situation gleich helfen werde. Nils war vom Landesamt für Verfassungsschutz und versprach sich um die drohende Abschiebung zu kümmern, sollte Yassir im Gegenzug als Spitzel tätig werden.
Ein halbes Jahr etwa hat er dies dann auch getan, ist auf Anweisung zu verschiedenen Treffen und Parties der linken Szene gegangen und hat vereinzelt Informationen weitergegeben. Zuletzt wollte er nicht mehr weitermachen und hat sich entschieden mit dem Spitzeln aufzuhören - ihm droht nun postwendend in den kommenden Wochen die Abschiebung nach Marokko.

Der Fall klingt wie ein schlechter Krimi, ist aber traurige Realität und vermutlich alles andere als ein Einzelfall und beschäftigt nun den parlamentarischen Kontrollausschuss.

Während taz, MoPo, NDR und selbst, wenngleich eher sekundär, das Abendblatt die Ausnutzung der Situation durch den VS thematisieren, fällt auf, dass die sonst durch einen direkten Draht zum Landesamt für Verfassungsschutz glänzende Welt Hamburg zu dem Thema noch keinen Beitrag gebracht hat. Und das, obwohl sie wie auch die Bild gern auch mal exklusive Interviews mit dem Vorsitzenden des LfV zum Thema "Extremismus Links" bringt. Offensichtlich passen ansatzweise kritische Meldungen nicht in den Rahmen der Berichterstattung zur Behörde.

Die wenigen in den bekannten Artikeln genannten Objekte der Begierde sind wenig überaschend: Dass der frisch gewonnene Informant zum Spitzeln in die Rote Flora geschickt wurde ist zu erwarten, auch die geheimdienstliche Unterwanderung von Studierendengruppen (das genannte Cafe Knallhart ist ein studentisches Café an der Hamburger Uni) ist in Hamburg längst keine Überaschung mehr. Erstaunlicher schon eher die plumpe Herangehensweise:
Er sollte zu einer Party in die Rote Flora gehen. "Danach wollte er wissen, was ich mit den Leuten aus der Antifa-Szene gesprochen habe."

Und ein weiteres Detail am Rande: Schwerpunkt des Interesses gilt nicht dem Verhindern von Radau auf der Straße, sondern den politischen Aktivisten:
Stets sollte er sich "auf die wichtigen Organisatoren und Personen konzentrieren, nicht auf die Trottel, die Krawall machen"

Lustiges Zitat am Rande aus dem Abendblatt Artikel:
Der Beamte rief ihn auf dem Handy an und beorderte ihn zu Treffpunkten. Mal auf einen Parkplatz am S-Bahnhof Wandsbeker Chaussee, einen Parkplatz am Berliner Tor, in die HafenCity oder in eine Fischbude an den Landungsbrücken. Alles Orte, an denen Autonome aus dem Schanzenviertel nicht zu verkehren pflegen.
Schön, wenn die Welt so einfach ist.