Samstag, 2. Mai 2009

Willkommen in Hamburg: Spitzeln oder Abschiebung

Über die Anwerbung von V-Leuten hüllt der Inlandsgeheimdienst sich üblicherweise in Schweigen. In der linken Szene Hamburgs weiß man von den forwährenden Anwerbeversuchen durch den Verfassungsschutz schon ein Lied zu singen. Vor wenigen Tagen ist nun ein Fall öffentlich geworden, der beispielhaft eine vermutlich nicht unübliche Verfahrensweise aufzeigt, wie der VS in seiner Not nun mittlerweile zuvor gänzlich Unbeteiligte als Informanten zum Spitzeln akquiriert. Dass das Engagement als Spitzel unter Druck geschehen kann, überrascht sicher nur die wenigsten:

In Sachsen-Anhalt zum Studium zugelassen, verlor Yassir M. seinen legalen Aufenthaltsstatus in der BRD ohne sein Wissen, als er einen Studiengangs- und Ortswechsel vornahm. Eine banale Alltagssituation wie die Überprüfung seiner Papiere beim Befahren der U-Bahn ohne Fahrschein leitete den ganzen Verlauf der Geschichte dann ein: Nachdem er und die Behörden nun von dem ungesetzlichen Aufenthaltsstatus wussten, riet ihm die Ausländerbehörde Hamburgs zu einem Asylantrag - obwohl er sich explizit als Student und nicht als politisch Verfolgter in Hamburg aufhalten wollte - und brachte ihn damit noch in tiefere Probleme, da ihm dadurch nun umso mehr die Abschiebung drohte ("Asylbetrug").
Im selben Atemzug aber verwies die Ausländerbehörde auf den Mitarbeiter "Nils", der ihm in seiner speziellen Situation gleich helfen werde. Nils war vom Landesamt für Verfassungsschutz und versprach sich um die drohende Abschiebung zu kümmern, sollte Yassir im Gegenzug als Spitzel tätig werden.
Ein halbes Jahr etwa hat er dies dann auch getan, ist auf Anweisung zu verschiedenen Treffen und Parties der linken Szene gegangen und hat vereinzelt Informationen weitergegeben. Zuletzt wollte er nicht mehr weitermachen und hat sich entschieden mit dem Spitzeln aufzuhören - ihm droht nun postwendend in den kommenden Wochen die Abschiebung nach Marokko.

Der Fall klingt wie ein schlechter Krimi, ist aber traurige Realität und vermutlich alles andere als ein Einzelfall und beschäftigt nun den parlamentarischen Kontrollausschuss.

Während taz, MoPo, NDR und selbst, wenngleich eher sekundär, das Abendblatt die Ausnutzung der Situation durch den VS thematisieren, fällt auf, dass die sonst durch einen direkten Draht zum Landesamt für Verfassungsschutz glänzende Welt Hamburg zu dem Thema noch keinen Beitrag gebracht hat. Und das, obwohl sie wie auch die Bild gern auch mal exklusive Interviews mit dem Vorsitzenden des LfV zum Thema "Extremismus Links" bringt. Offensichtlich passen ansatzweise kritische Meldungen nicht in den Rahmen der Berichterstattung zur Behörde.

Die wenigen in den bekannten Artikeln genannten Objekte der Begierde sind wenig überaschend: Dass der frisch gewonnene Informant zum Spitzeln in die Rote Flora geschickt wurde ist zu erwarten, auch die geheimdienstliche Unterwanderung von Studierendengruppen (das genannte Cafe Knallhart ist ein studentisches Café an der Hamburger Uni) ist in Hamburg längst keine Überaschung mehr. Erstaunlicher schon eher die plumpe Herangehensweise:
Er sollte zu einer Party in die Rote Flora gehen. "Danach wollte er wissen, was ich mit den Leuten aus der Antifa-Szene gesprochen habe."

Und ein weiteres Detail am Rande: Schwerpunkt des Interesses gilt nicht dem Verhindern von Radau auf der Straße, sondern den politischen Aktivisten:
Stets sollte er sich "auf die wichtigen Organisatoren und Personen konzentrieren, nicht auf die Trottel, die Krawall machen"

Lustiges Zitat am Rande aus dem Abendblatt Artikel:
Der Beamte rief ihn auf dem Handy an und beorderte ihn zu Treffpunkten. Mal auf einen Parkplatz am S-Bahnhof Wandsbeker Chaussee, einen Parkplatz am Berliner Tor, in die HafenCity oder in eine Fischbude an den Landungsbrücken. Alles Orte, an denen Autonome aus dem Schanzenviertel nicht zu verkehren pflegen.
Schön, wenn die Welt so einfach ist.

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