dranto

Dienstag, 15. Dezember 2009

Alternativloser Zahlcontent

Die Monetarisierungsversuche via PaidContent beim Hamburger Abendblatt sind seit gestern in aller Munde. Paid war der Content natürlich auch schon vorher, das habe ich unter anderem ja auch hier schon erwähnt: Stichworte dazu sind „Advertorials“, Partnerprogramme als inhaltliche Ergänzungen sowie übliche ordentlich getrennte Werbung ohnehin an aller Orten usw.

Dass das Modell scheitern wird, dazu muss gar nicht erst viel gesagt werden, davon ist eh auszugehen. Dass ausgerechnet die Artikel aus dem Regionalteil nur gegen Geld zugänglich sein sollen lässt sich ebenso sofort nachvollziehen, dies ist schließlich das einzige, bei dem die Zeitung eine Art Alleinstellungsmerkmal vorweisen kann - Zeitungen mit Lokalteilen für Hamburg sind neben dem HA lediglich Welt+Bild (beide ebenfalls Springer) sowie taz (Lokalteil wird kontinuierlich gekürzt, grün) und Mopo (etwas boulevardesquer und statt CDU-nah wie das HA auf SPD Linie). Ob für diese kleine Konkurrenz wird jetzt also vielleicht ein neuer Leser_innensegen zukommt bleibt abzuwarten, durchaus auch denkbar, dass vielfach einfach auf professionelle Regional-Meldungen verzichtet wird.

Interessant ist dabei, mit welcher vor Sorglosigkeit strotzenden Eile das Modell umgesetzt worden sein muss. Das lässt sich an den zahlreichen technischen Pannen und Problemen die auftraten und teilweise noch immer auftreten ganz gut erkennen:

* Häufige 500er Fehler auf den Zahlartikeln
* Sicherheit wird selbst angesichts der Tatsache, dass es sich um Zahlsystem handelt offenbar nicht allzu groß geschrieben - XSS: http://bit.ly/7uMyVz

Zwei andere Probleme werden heiß diskutiert:

* Google soll natürlich alle Texte indexieren, nach wie vor erhält man mit dem User-Agent Googlebot sämtliche Artikel in voller Länge, etwas anderes wird nicht geprueft.
* Von Google kommend erhält man alle kostenpflichtigen Artikel in voller Länger, wobei dies vom Referer abhängig gemacht wird. Sobald im Referer Feld .google.com im Hostnamen auftaucht, wird der gesamte Artikel angezeigt.

Dass die Anfragen von Google kommend und von Google selbst gratis sind liegt offenbar daran, dass das 'First Click Free' Konzept von Google umgesetzt wird - Leute die einen Suchbegriff gefunden zu meinen haben sollen nicht direkt mit einer Zahlseite enttäuscht werden - und ist also somit Absicht und durchaus begrüßenswert.

Der Check nach Googlebot rein vom User-Agent abhängig zu machen ist recht gutgläubig, allerdings ist das erstaunlicherweise sogar die vorgeschlagene Vorgehensweise seitens Google.
Und selbst das unnötig schwache Referer-Matching auf /.*\.google\..*/ wird tatsächlich von Google vorgeschlagen.

Und ausgerechnet diese viel belächelte FirstClickFree Strategie ist meiner Vermutung nach in naher Zukunft der Grund, dass nicht alle potentiellen Leser_innen abwandern werden. Abonnieren werden deswegen aber natürlich kaum mehr.

Insgesamt in technischer wie strategischer Hinsicht scheint es, als wären Experten hier also wohl kaum am Werk gewesem, das riecht eher nach einem recht unüberlegten Schnellschuss denn nach einer wohl durchdachten langfristigen Neuausrichtung. Spannend wird sein, wie der absehbare Rücktritt von dem PaidContent Modell kommuniziert werden wird.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Not In Our Name, Marke Hamburg!

Der folgende Text von Ted Gaier geht gerade per Mail rum, aber meiner Meinung nach gehört er schleunigst ins Web. Ich mach das hiermit mal..

Ein Gespenst geht um in Europa, seit der US-Ökonom Richard Florida vorgerechnet hat, dass nur die Städte prosperieren, in denen sich die „kreative Klasse“ wohlfühlt. „Cities without gays and rock bands are losing the economic development race“, schreibt Florida. Viele europäische Metropolen konkurrieren heute darum, zum Ansiedelungsgebiet für diese „kreative Klasse“ zu werden. Für Hamburg hat die Konkurrenz der Standorte mittlerweile dazu geführt, dass sich die städtische Politik immer mehr einer „Image City“ unterordnet. Es geht darum, ein bestimmtes Bild von Stadt in die Welt zu setzen: Das Bild von der „pulsierenden Metropole“, die „ein anregendes Umfeld und beste Chancen für Kulturschaffende aller Couleur“ bietet. Eine stadteigene Marketing-Agentur sorgt dafür, dass dieses Bild als „Marke Hamburg“ in die Medien eingespeist wird. Sie überschwemmt die Republik mit Broschüren, in denen aus Hamburg ein widerspruchfreies, sozial befriedetes Fantasialand mit Elbphilharmonie und Table-Dance, Blankenese und Schanze, Agenturleben und Künstlerszene wird. Harley-Days auf dem Kiez, Gay-Paraden in St. Georg, Off-Kunst-Spektakel in der Hafencity, Reeperbahn-Festival, Fanmeilen und Cruising Days: Kaum eine Woche vergeht ohne ein touristisches Megaevent, das „markenstärkende Funktion“ übernehmen soll.

Liebe Standortpolitiker: Wir weigern uns, über diese Stadt in Marketing-Kategorien zu sprechen. Wir sagen: Aua, es tut weh. Hört auf mit dem Scheiß. Wir lassen uns nicht für blöd verkaufen. Wir wollen weder dabei helfen, den Kiez als „bunten, frechen, vielseitigen Stadtteil“ zu „positionieren“, noch denken wir bei Hamburg an „Wasser, Weltoffenheit, Internationalität“, oder was euch sonst noch an „Erfolgsbausteinen der Marke Hamburg“ einfällt. Wir denken an andere Sachen. An über eine Million leerstehender Büroquadratmeter zum Beispiel und daran, dass ihr die Elbe trotzdem immer weiter zubauen lasst mit Premium-Glaszähnen. Wir stellen fest, dass es in der westlichen inneren Stadt kaum mehr ein WG-Zimmer unter 450 Euro gibt, kaum mehr Wohnungen unter 10 Euro pro Quadratmeter. Dass sich die Anzahl der Sozialwohnungen in den nächsten zehn Jahren halbieren wird.
Dass die armen, die alten und migrantischen Bewohner an den Stadtrand ziehen, weil Hartz IV und eine städtische Wohnungsvergabepolitik dafür sorgen. Wir glauben: Eure „wachsende Stadt“ ist in Wahrheit die segregierte Stadt, wie im 19. Jahrhundert: Die Promenaden den Gutsituierten, dem Pöbel die Mietskasernen außerhalb.

Und deshalb sind wir auch nicht dabei, beim Werbefeldzug für die „Marke Hamburg“. Nicht dass ihr uns freundlich gebeten hättet. Im Gegenteil: uns ist nicht verborgen geblieben, dass die seit Jahren sinkenden kulturpolitischen Fördermittel für freie künstlerische Arbeit heutzutage auch noch zunehmend nach standortpolitischen Kriterien vergeben werden. Siehe Wilhelmsburg, die Neue Große Bergstraße, siehe die Hafencity: Wie der Esel der Karotte sollen bildende Künstler den Fördertöpfen und Zwischennutzungs-Gelegenheiten nachlaufen – dahin, wo es Entwicklungsgebiete zu beleben, Investoren oder neue, zahlungskräftigere Bewohner anzulocken gilt. Ihr haltet es offensichtlich für selbstverständlich, kulturelle Ressourcen „bewusst für die Stadtentwicklung“ und „für das Stadt-Image“ einzusetzen. Kultur soll zum Ornament einer Art Turbo-Gentrifizierung werden, weil ihr die die üblichen, jahrelangen Trockenwohn-Prozesse garnicht mehr abwarten wollt. Wie die Stadt danach aussehen soll kann man in St. Pauli und im Schanzenviertel begutachten: Aus ehemaligen Arbeiterstadtteilen, dann „Szenevierteln“, werden binnen kürzester Zeit exklusive Wohngegenden mit angeschlossenem Party- und Shopping Kiez, auf dem Franchising-Gastronomie und Ketten wie H&M die Amüsierhorde abmelken.

Die Hamburgische Kulturpolitik ist längst integraler Bestandteil eurer Eventisierungs-Strategie. Dreissig Millionen Euro gingen an das Militaria-Museum eines reaktionären Sammlerfürsten . Über vierzig Prozent der Ausgaben für Kultur entfallen derzeit auf die „Elbphilharmonie“. Damit wird die Kulturbehörde zur Geisel eines 500-Millionen-Grabes, das nach Fertigstellung bestenfalls eine luxuriöse Spielstätte für Megastars des internationalen Klassik- und Jazz-Tourneezirkus ist. Mal abgesehen davon, dass die Symbolwirkung der Elbphilharmonie nichts an sozialem Zynismus zu wünschen übrig lässt: Da lässt die Stadt ein „Leuchtturmprojekt“ bauen, das dem Geldadel ein Fünf-Sterne-Hotel sowie 47 exklusive Eigentumswohnungen zu bieten hat und dem gemeinen Volk eine zugige Aussichtsplattform übrig lässt. Was für ein Wahrzeichen!

Uns macht es die „wachsende Stadt“ indessen zunehmend schwer, halbwegs bezahlbare Ateliers, Studio- und Probenräume zu finden, oder Clubs und Spielstätten zu betreiben, die nicht einzig und allein dem Diktat des Umsatzes verpflichtet sind. Genau deshalb finden wir: Das Gerede von den „pulsierenden Szenen“ steht am allerwenigsten einer Stadtpolitik zu, die die Antwort auf die Frage, was mit städtischem Grund und Boden geschehen soll, im Wesentlichen der Finanzbehörde überlässt. Wo immer eine Innenstadtlage zu Geld zu machen ist, wo immer ein Park zu verdichten, einem Grünstreifen ein Grundstück abzuringen oder eine Lücke zu schließen ist, wirft die Finanzbehörde die „Sahnelagen“ auf den Immobilienmarkt – zum Höchstgebot und mit einem Minimum an Auflagen. Was dabei entsteht, ist eine geschichts- und kulturlose Investoren-City in Stahl und Beton.

Wir haben schon verstanden: Wir, die Musik-, DJ-, Kunst-, Theater- und Film-Leute, die kleine-geile-Läden –Betreiber und ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer, sollen der Kontrapunkt sein zur „Stadt der Tiefgaragen“ (Süddeutsche Zeitung). Wir sollen für Ambiente sorgen, für die Aura und den Freizeitwert, ohne den ein urbaner Standort heute nicht mehr global konkurrenzfähig ist. Wir sind willkommen. Irgendwie. Einerseits. Andererseits hat die totale Inwertsetzung des städtischen Raumes zur Folge, dass wir – die wir doch Lockvögel sein sollen – in Scharen abwandern, weil es hier immer weniger bezahlbaren und bespielbaren Platz gibt. Mittlerweile, liebe Standortpolitiker, habt ihr bemerkt, dass das zum Problem für euer Vorhaben wird. Doch eure Lösungsvorschläge bewegen sich tragischer Weise kein Jota außerhalb der Logik der unternehmerischen Stadt. Eine frische Senatsdrucksache etwa kündigt an „die Zukunftspotenziale der Kreativwirtschaft durch Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu erschließen“. Eine „Kreativagentur“ soll zukünftig u.a. „Anlaufstelle für die Vermittlung von Immobilienangeboten“ sein. Wer sich die Mieten nicht leisten kann, muss sich als „künstlerischer Nachwuchs“ einsortieren lassen und bei der Kreativagentur um „temporäre Nutzung von Leerständen“ ersuchen. Dafür gibt es sogar einen Mietzuschuss, allerdings nur, wenn „die Dringlichkeit des Bedarfs und die Relevanz für den Kreativstandort Hamburg“ gegeben sind. Unmissverständlicher kann man nicht klarstellen, was „Kreativität“ hier zu sein hat: Nämlich ein profit center für die „wachsende Stadt“.

Und da sind wir nicht dabei. Wir wollen nämlich keine von Quartiersentwicklern strategisch platzierten „Kreativimmobilien“ und „Kreativhöfe“. Wir kommen aus besetzten Häusern, aus muffigen Proberaumbunkern, wir haben Clubs in feuchten Souterrains gemacht und in leerstehenden Kaufhäusern, unsere Ateliers lagen in aufgegebenen Verwaltungsgebäuden und wir zogen den unsanierten dem sanierten Altbau vor, weil die Miete billiger war. Wir haben in dieser Stadt immer Orte aufgesucht, die zeitweilig aus dem Markt gefallen waren – weil wir dort freier, autonomer, unabhängiger sein konnten. Wir wollen jetzt nicht helfen sie in Wert zu setzen. Wir wollen die Frage „Wie wollen wir leben?“ nicht auf Stadtentwicklungs-Workshops diskutieren. Für uns hat das, was wir in dieser Stadt machen, immer mit Freiräumen zu tun, mit Gegenentwürfen, mit Utopien, mit dem Unterlaufen von Verwertungs- und Standortlogik.

Wir sagen: Eine Stadt ist keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Unternehmen. Eine Stadt ist ein Gemeinwesen. Wir stellen die soziale Frage, die in den Städten heute auch ein Frage von Territorialkämpfen ist. Es geht darum, Orte zu erobern und zu verteidigen, die das Leben in dieser Stadt auch für die lebenswert machen, die nicht zur Zielgruppe der „Wachsenden Stadt“ gehören. Wir nehmen uns das Recht auf Stadt – mit all den Bewohnerinnen und Bewohnern Hamburgs, die sich weigern, Standortfaktor zu sein. Wir solidarisieren uns mit den Besetzern des Gängeviertels, mit der Frappant-Initiative gegen Ikea in Altona, mit dem Centro Sociale und der Roten Flora, mit den Initiativen gegen die Zerstörung der Grünstreifen am Isebek-Kanal und entlang der geplanten Moorburg-Trasse in Altona, mit No-BNQ in St. Pauli, mit dem Aktionsnetzwerk gegen Gentrifizierung und mit den vielen anderen Initiativen von Wilhelmsburg bis St. Georg, die sich Stadt der Investoren entgegenstellen.

Ted Gaier

Montag, 28. September 2009

Hamburger Qualitätsblatt

In den vergangenen Monaten, spätestens seit dem Relaunch der Online-Version, lässt sich bei der Lektüre des Hamburger Abendblatts das unangenehme Gefühl eines qualitativen Verfalls hin zu einem weniger subtilen Boulevardjournalismus immer weniger verdrängen - ohne damit sagen zu wollen, dass das Abendblatt je mit überzeugender Brillanz zu glänzen gewusst hätte. Die Ursache hierfür liegt dabei gar nicht am modischen Webauftritt - die Welt z.B. hat den Relaunch früher gemacht, zugegeben etwas weniger Web2.0 gewagt, leidet jedoch nicht annähernd so sehr an dem Phänomen - sondern ist vielmehr inhaltlicher Natur:
Reißerische Titel wie ganz aktuell "So hat Ihr Nachbar gewählt!" oder Auf der Schanze regiert die Angst und selbst (einem journalistischem Hilferuf gleich) regelmäßige Babyfotos zeigen die Richtung an, aus der neue Leserinnen geworben und in die es dafür gehen soll.

Geschenkt, dass auf jeder Seite der Link zum Singlebörsenpartner an mehreren Stellen teilweise groß aufgemacht als Inhalt feilgeboten wird - schließlich muss auch Springer verzweifelt versuchen, die Online Version zu monetarisieren - oder dass seit sage und schreibe mehr als acht Wochen unter der Rubrik "Leben in Hamburg" der Pulitzerpreis-verdächte Recherchekracher Neun gesunde Gründe für wirklich guten Sex zu bestaunen ist. Ebenfalls spare ich mir weitere Kommentare zu den verlinkten "Advertorials" - ja, es gibt tatsächlich Menschen, die sich nicht scheuen solche Begriffe zu verwenden - denn immerhin ist ja der Name hier Programm. Das mit dem "Anzeige ist als solche kenntlich zu machen und vom redaktionellen Inhalt zu trennen" zieht sich nämlich durchaus nicht durch das ganze Angebot der Zeitung, ein Blick auf die stets beworbenen "KFZ-Tipps der Woche" z.B. führt im Artikel-Link-Grün über den hauseigenen Adserver direkt zum Werbepartner. Und es gibt überhaupt wenig Ressorts ohne Unterrubrik mit gewinnträchtigen Partnerprogrammen: unter Home allein beispielsweise gleich "Stellenangebote", "Partnersuche" und(!) "Singles". Vielleicht bin ich da auch nach langjähriger Adblocknutzung einfach nur zu sensibel.

Das viel störender boulevardesque beim Abendblatt 2.0 jedoch fällt beim Lesen eines jeden Artikels ins Auge: Immer mindestens zwei der Bildershows rechts sind kontextfreie Stars- und Tittenteaser, die zu Bilderstrecken von höchstem qualitätsjournalistischen Anspruch wie Üppige Kurven im Wüstensand, dem wochenlangen Topthema Michaela Schaffrath klagt auf Schadenersatz oder dem Klassiker der immer geht und auch beim Abendblatt sehr lange sehr gut ging, Heisse-Bademoden, locken. Wieso heute noch ein einzelnes Pinup-Girl für die Startseite wenn diverse Makroaufnahmen leicht verhüllter weiblicher Geschlechtsmerkmale über das gesamte Webangebot die Zielgruppe viel besser ansprechen können?

Interessant bei Abendblatt.de: Ein lang gehegtes Vorurteil über die (politische) Gewichtung lässt sich aber immerhin über die neue Onlinetechnologie überprüfen und festhalten. Heikle Artikel zum Thema CDU beispielsweise genießen eine deutlich höhere Priotität, gleiches gilt aber auch zum Arbeitsfeld, das mit "Linke Gewaltchaoten" grob umrissen werden könnte: Da Artikel schnell online verfügbar sein müssen, lässt sich anhand der deutlichen inhaltlichen Veränderungen am Titel und dem Inhalt gut ablesen wieviel Wert darauf gelegt wird und in welcher Eile geschrieben werden muss. Wider Erwarten ist der Effekt bei Eilmeldungen weniger ausgeprägt als bei genannten Themenfeldern, was den Schluss zur entsprechenden Gewichtung nahelegt.
Eine Kostprobe z.B. zum für die Kanzelerin unmittelbar vor der Bundestagswahl sehr unangenehmen Auftritt mit dem "und alle so: yeah"-Flashmob:
Aus dem recht allgemeinen Titel "Flashmob bei Wahlkampfveranstaltungen" wurde über den Umweg "Flashmob in Hamburg" zunächst "Flashmob in Hamburg - Kanzlerin blieb cool" und schließlich "Smartmob in Hamburg - Kanzlerin blieb cool". Aus dem selben Artikel bei dem Angela Merkel erst schlecht da stand, wurde am Ende einer, bei dem sie cool selbst gegenüber einem smarten Mob da stand. Eine solche Gewichtung beim HA überascht jetzt natürlich ganz und gar nicht, aber das Live-Beobachten von inhaltlichen Korrekturen könnte nebenbei erwähnt ein ganz interessantes Forschungsthema abgeben.



Einen guten Humor beweist die Redaktion aber immerhin: Im Ressort Politik bietet das Hamburger Abendblatt genau drei Unterrubriken: Deutschland, Ausland und Schweinegrippe.


Update:
Das Abendblatt will sich hauseigenen Qualitätsjournalismus (Selbstbezeichnung) dem Leser etwas kosten lassen

Samstag, 26. September 2009

Das Thema Wahlempfehlung

ist derzeit in aller Munde. Und hie wie da wird nicht vergessen entweder auf den mündigen Bürger hinzuweisen - dann könnte man einen Artikel zum Thema eigentlich auch gleich weglassen - oder auf die Partei ihrer Wahl zu verweisen und diese mit irgendwelchen hohlen Phrasen noch kurz vor Schluss doch schön darstellen zu lassen (Da wird jetzt absichtlich nicht drauf verlinkt).

Nach dem desaströsen Finish, das die Piraten in der letzten Zeit hingelegt haben, fällt ein Endorsement der Partei gelinde gesagt nicht einfach bzw. ein Ablehnen drängt sich auf.

Auch ich habe die Äußerungen von etlichen Mitgliedern und Sympathisanten mit ziemlichen Erschrecken zur Kenntnis genommen und bin sicher, dass die häufig formulierte Weisheit, die Partei "brauche noch vier Jahre um zu reifen", noch recht optimistisch ist.

Die Frage stellt sich aber, ob die Piraten in vier Jahren überhaupt noch eine relevante Größe haben können, wenn sie bei dieser Wahl nicht einmal unter den Sonstigen eine ernst zu nehmende politische Kraft in Sachen Wählerinnenstimmen wird. Meiner Meinung nach wird ansonsten der Drive, den die Partei in diesem Jahr bekommen und teilweise recht erfolgreich genutzt hat, bis zur nächsten Wahl verpuffen - und Reife hin oder her, wird dies dann niemandem mehr etwas nutzen können.

Wer die Piraten wegen ihrer kleinen Anhängerschar, die genauso naiv wie laut herumpoltert, jetzt nicht wählt, kurvt ein wenig an den Realitäten vorbei. Bei dieser Wahl kann es nur darum gehen, die Grundlage für die nächste Wahl zu legen, bei der bei einem guten Abschneiden der Piraten in diesem Jahr dann im Vorfeld klar sein kann, dass die Piraten eine ernst zu nehmende Oppositionsrolle einnehmen wollen - wer bei dem Nichtwählen der Piratenpartei im Hinterkopf hat, die unreifen Politkiddies nicht ins Parlament hieven zu wollen, überschätzt doch ein klein wenig die politischen Wählerinnenverteilungen in diesem Land - und vergisst, dass die jetzigen Piraten in vier Jahren allesamt vier Jahre älter geworden sein werden.

Ich geb zu, die Argumentation hinkt, nein humpelt stark. Momentan noch reicht's mir aber aus morgen aus dem Haus zu gehen und das Kreuz mit Bauchschmerzen zu machen.

Freitag, 18. September 2009

Tazstall und Pferdesalon

Wie vor kurzem angekündigt, hier ein kleiner Abriss über die Taz Hamburg und die Pferdestall Kultur GmbH.




Ganz aktuell und beispielhaft ist der Vorfall im Rahmen einer Gentrifizierungs-Debatte (Video) im Rahmen des regelmäßig im Haus73 stattfindenen Taz-Salons, der gleich eine wunderbare Offenbarung für die Verkettung von besagten Unternehmen ist. Das Haus73, muss man hierbei wissen, zum Pferdestall gehörend, ist seines Zeichens zumindest laut einschlägiger Meinung alles andere als unbeteiligt am Aufwertungsprozess im Viertel. Ausgerechnet diesen Ort für den Salon und dann auch noch für die Veranstaltung zu wählen, das dann auch noch mit Beteiligung von Wasserturm Hotel Verantwortlichen und obendrein ohne Initiativen aus dem Stadtteil, das grenzt an offenen Angriff und lässt sich ohne besondere Verbindung von Taz zu Pferdestall nicht nachvollziehen.

Schön sieht man das auch an einem Vorgang der ein paar Wochen zurück liegt: Die Räume in denen sich das Centro Sociale befindet, werden zur Neuvermietung ausgeschrieben, und neben dem Centro selbst haben sich noch einige andere Unternehmen beworben. Die meisten haben abgesagt, die Pferdestall GmbH hat jedoch recht lang noch kontra gegeben und mitgepokert um noch einen weiteren Standort sein eigen nennen zu können, gern auch auf Kosten von sozialen Einrichtungen wie dem Centro. Erst als der Druck dann doch zu groß wurde ließ man vorerst davon ab, die Taz endblödete sich nicht, dies als wohlwollenden Gestus zu adeln und spricht den Pferdestall von jedem Verdacht frei. Zuvor war sich die Taz bei Beginn des Konflikts bereits nicht zu schade, allen Ernstes zu fordern dafür das Centro in die Flora zu verlagern, weil ja zu viele soziale Einrichtungen vorhanden wären, aber ein weiteres Pferdestall Etablissement sicher dringend notwendig wäre..

Den Vogel allerdings schießt ein mit dem Begriff Homestory noch unzureichend tituliertes Feature in der vierteljährlichen Taz-Beilage Halbstark ab, der jegliche Distanz zum Thema ohne Reu und Scham vermissen lässt. Leider nur als PDF verfügbar und daher schlecht zu verlinken, wird eine ganze Doppelseite dem Unternehmen zum Thema Helden gewidmet, darin enthalten selbstverständlich kein einziger nicht wohlwollender oder auch nur ansatzweise Distanz erahnender Absatz, sondern vielmehr journalistische Höchstleistungen wie

Er [Hocquel, GF] ist der Macher, die Autorität – aber er setzt nicht auf Außenwirkung. Der Motivationskünstler mit der markanten Stimme überzeugt lieber im Dialog. Konzentriert und mit Begeisterung weiß er seine Ideen zu verkaufen. Ein Talent, das ihn weit gebracht hat: Bereits als 20-Jähriger war er eine zentrale Figur der Leipziger Bürgerrechtsbewegung. Er half bei der Demontage der DDR und lernte nebenbei das Einmaleins der Überzeugungsarbeit.


Beispiele dieser Art ließen sich noch weitere auflisten, der Grundtenor bleibt bei allen der Gleiche: Die Taz scheint dem Unternehmen Gewehr bei Fuße bereit zu stehen, sobald es gilt irgendwelche öffentlichen Statements zu verbreiten.

Die Taz ist also nicht ohne Auswirkung Medienpartner der Pferdestall GmbH, und es würde ja auch wundern, hinge die Berichterstattung gar nicht davon ab. Umso wichtiger, das beim Lesen klar im Hinterkopf zu haben.

Der Taz-Leser ist überdurchschnittlich stark an Kultur, Reisen,
Kommunikation, Konsum interessiert


- das ist die Taz 2009. Brrrr!

Junge Piraten

Nachdem Die Partei in einem absurden Verfahren von der Bundestagswahl ausgeschlossen wurde, drängt sich die Frage auf, ob stattdessen eine Stimme für PiratenPartei, als vermeintlich einzige nicht völlig von der eigenen Lebensrealitiät abgeschnittene Gruppierung, vielleicht eine gute Idee wäre.

Die programmatische Linie mag hierbei ja zumindest in den Teilen, die ihr Programm abdeckt, zufriedenstellen, leider mangelt es auf personeller Ebene in der deutschen Sektion der international hervorstrebenden Partei offenbar ganz erheblich. Neuestes Beispiel ist der Umgang mit der Jungen Freiheit, nachdem zuvor im Sommer bereits erschreckend langwierig darum gerungen wurde, wie mit holocaustleugnenden Mitgliedern umzugehen sei und die Partei sich damit bereits im wohlwollensten Falle als unreif für so ziemlich alles qualifiziert hat.
Unmut über die neuerlichen politischen Eskapaden ist glücklicherweise auch in Parteimitgliederblogs zu finden, so dass man mit viel gutem Willen noch immer nicht Hopfen und Malz verloren geben will.

Zu hoffen bleibt nun nur noch auf eine wachsende Erkenntnis bei den Pateimitgliedern, dass selbst die Grünen schon mal progressiver waren, als sich einen einzelnen großen Bundesvorsitzenden zu geben, dessen Agieren dann den Weg, das Bild und damit das politische Schicksal der Partei bestimmt.

Solang das nicht geschieht, bleiben wohl nur die Wahlergänzungsaufkleber der Partei als akzeptables Wahlobjekt für den 27.9.

Ergänzung: Nachdem mich das nun doch etwas beunruhigt hat, da ich die PiratenPartei erst gestern noch wohlwollend gegenüber Kritikern verteidigt und zur Wahl empfohlen habe, bin ich nun noch ein wenig durch die aktive Blog-welt gewandert und muss bestürzt feststellen, dass vor allem die an Naivität kaum zu überbietenden Kommentare, die da allen Orten von vermeintlichen Parteisympathisanten kommen, ein Bild einer Partei aufzeichnen, die zumindest von mir keine Unterstützung verlangen kann (Ohne jetzt also öffentlich die allgemeine Unwählbarkeit zu proklamieren, für z.B. "freie Wähler" aus Düsseldorf scheinen sie genau richtig). Als single interest Partei kann ich sie zwar ernst nehmen, aber alles andere verbocken sie richtig großartig und verteidigen das allerorten anschließend auch noch in Massen offensiv bis fast schon mitleiderregend beleidigt und zu 99% ohne auf Kritik überhaupt nur einzugehen. Das mag für eine Jugengruppe in Ordnung sein, für eine Partei die zur Wahl antritt ist das alles nur unterirdisch.

Hamburger Gewaltdebatten als Schanzenfest 12.9.2009 Nachlese

Zieht man vor Jahren, Monaten oder Wochen ins Hamburg Schanzenviertel, weil das unangepasste, szenige, wilde, ungehorsame und diverses sonstige Flair doch so prima zum Firmenimage oder Bild von sich selbst passen soll, ist es genau das unangepasste, szenige und wilde, das nun das Wohlbefinden stört und ganz schnell bitte weg soll.




Vielleicht sollten sich manche Werber, 'New' Economy Evangelisten, sonstige sich selbst gern als Kreative bezeichnende und andere mal überlegen, ob ihr gewolltes Image auch nur ansatzweise zum eigenen Befinden passt. Wer auf der einen Seite ganz wild derzeit angesagte Modetrends (nach)predigt, wird sich in wirklich wilden Fahrwassern ganz sicher nicht wohl fühlen können. (Die selbsternannten 'Evangelists' - man suche einfach mal z.B. bei Xing nach ihnen - wären eigentlich ein Thema für sich, selten haben sich Menschen freiwillig so öffentlich stolz zur eigenen Dummheit bekannt. Bei Gelegenheit mal mehr dazu.)

Gentrifizierung und Gewalt

Angesichts des [eigentlich auch absehbaren] Verlaufs des Schanzenfestes vom 12.9. ist das Thema der Viertelaufwertung nun in ganz neue Ebenen hochgekocht, neue und aber auch noch verbliebene alte Bewohner des Viertels äußern grob Zusammengefasst öffentlich Zustimmung zum medialen Unmut über die linke Szene im Viertel und die 'Gewaltorgien' vom Schanzenfest, mit dem Tenor jetzt sei es aber wirklich mal genug, usw.

Obendrein schwimmt auf diesem Fahrwasser dann sogar noch Kulturinvestor Klausmartin Kretschmer mit, der sich selbst gern als selbstlosen Gönner präsentiert (und von den hiesigen Springerblättern präsentieren lässt), sich aber, öffentlich bekannt und in der Presse natürlich selten erwähnt, einen stattlichen Millionengewinn mit dem Verkauf der Flora ausrechnet, sobald die Stimmung im Viertel genug gekippt ist einen Vorstoß in die Richtung wagen zu können. Davon gab's diese Woche sogar dann auch nicht zufällig eine kleine Kostprobe in einem seiner seltenen Interviews:
Alles hat seine Zeit ... und diese macht auch vor der Roten Flora nicht halt.
Das kann einzig als Testbohrung aufgefasst werden, wie lang noch Zeit ist, um einen gewinnbringenden Verkauf endlich zu veranlassen. Dass er sich selbst mit den Besetzern auseinandersetzen wollen wird, ist dabei nicht zu erwarten, vielmehr wird er diese Schmutzarbeit den Käufern überlassen und anschließend fein raus sein, obendrein sogar sagen können, dass er die - dieses Jahr nebenbei erwähnt seit 20 Jahren bestehende - Selbstverwaltung des Gebäudes und seiner Nutzerinnenstruktur selbst nie angetastet hätte.

Mit Abschließung der Einstufung des Schanzenviertels als Sanierungsgebiet in diesem Sommer, wird noch zusätzlich Fahrt aufgenommen, und die Veränderungen der letzten 10 Jahre noch schneller als bis dato fortgeführt. Regelmäßig erscheinen Artikel nicht nur in der Lokalpresse zu dem Thema, unzählige Stadtteilinitiativen gründen sich, permanent sind stets mehrere Projekte konkreter Bedrohung ausgesetzt. Doch alle scheint zu verwundern, wenn dies dann in Geschehnissen mündet, die womöglich sogar nicht friedlicher Natur sind, oder gar die "öffentliche Ordnung" stören

So wird heute z.B. berichtet, dass die seit den Neunzigerjahren allseits verhasste STEG eine in unmittelbarer Nähe zum Schulterblatt durch Künstler genutzte Fläche zu veräußern gedenkt, und selbst der benachbarte Spielplatz war bereits häufiger in Bedrängnis und wird zweifelsohne auch zukünftig wieder in solche geraten. Andere Artikel von heute fabulieren über die Prozesse - die man allerorts mittlerweile bekanntermaßen mit dem Terminus Gentrifizierung verbindet - mit dem augenscheinlichen Anspruch von Objektivität, der in Detailfragen dann aber doch unvermeidbar vieles durcheinanderbringt und die (natürlich) nichts anderes als die eigene Position reproduziert - und allerorten wird reflexartig eingestimmt, dass das Schlimme die Gewalt durch erlebnisorientierte Randalierende ist.

Der Wille abseits von irgendwelchen Problemen einfach nur gemeinsam feiern zu können wird überall als Vorstellung formuliert, die das unhinterfragbare Ideal darstellen soll. Protest? Ja, aber bitte nur solang er vor allem eines nicht ist: die Harmonie störend. Eine so harmlose wie banale Formulierung im einer Hamburg1-Talkshow, dass es doch vielleicht irgendwo herrühren wird, wenn Jugendliche sich gezielt eine Polizeiwache aussuchen um diese mit Steinen zu bewerfen, sorgt da bereits für ausreichend Zündstoff und führt zu sagenhaften Titeln und Kommentaren, die, wie immer in deutschen Zeitungen, kein Mensch mit Verstand lesen kann, ohne von Kommentar zu Kommentar ob derartiger Hirnwindungen der Verzweiflung näher zu kommen.
Angesichts solcher Phantasien wundert es auch nur bedingt, dass bei besagtem Interview dann gleich eine Besetzung von dreien gegen einen anberaumt wird, um zaghafte nicht-kleinbei-gebende Äußerungen reflexhaftig mit empörtem Gestus ablehnen zu können.

Angriff auf die Lerchenwache (PK 16)

Die Taz, mittlerweile selbst unsäglicher vortreibender Teil der Gentrifizierungskraft im Viertel dank langfristiger Kooperation mit der Pferdstall GmbH (Regelm. Veranstaltungen der Taz im Haus73 auf der einen, auf der anderen Seite zahlreiche, erstaunlich offen einseitig positive Artikel in der Zeitung über die Projekte der Firma - ich stelle bei Zeiten mal eine Liste zusammen und verlinke die hier um das nicht unbelegt behaupten zu müssen - Update: hier), ist die einzige Zeitung, die (wenn auch nur nebenbei) überhaupt zu erwähnen wagt, dass die Wachen-Angreifer überhaupt gar nicht in Richtung des Festes geflohen sind, was unisono als einzige Begründung für die polizeiliche Zwangsräumung eben jenen Festes tausender Feiernder angeführt und akzeptiert wird.

Obendrein harrte die Gruppe, die zielsicher in Richtung der Wache marschierte, sichtlich überascht, dass sie bei 2000 Polizisten überhaupt in deren Nähe kommen konnte (sonst in Hamburg ein Ding der Unmöglichkeit) erstmal irritiert auf der Kreuzung aus. Und daher ist auch die Zahl der dort Steinewerfenden, nebenbei sei's erwähnt, eher auf ein bis zwei Dutzend zu beziffern denn auf die verbreitete Zahl von 200 Wütenden, die weiterhin auf der Kreuzung rumstehend lediglich das Geschehen beobachteten. Von häufig angeführtem alleinigen bedrängten Verkehrspolizisten wurde von keinem Zeugen bisher etwas gesehen, und angesichts der ruhigen Situation an der Kreuzung und der Tatsache, dass die Polizei bei diesem Fest erstmalig keinerlei Straßensperren stellte, muss die Behauptung erstmal als mindestens unschlüssig eingestuft werden.

Der Einsatzzug, der durchaus aktionsbereit in voller Montur direkt an der Lerchenwache stand, personell problemlos ausgereicht hätte die Angreifer zu vertreiben und kurz zuvor am Abend noch umparkte, so dass die Wagen neben der Wache standen statt davor, machte keinerlei Anstalten bei Steinbewurf durch die kleine aktive Gruppe aus den Wagen auszusteigen. Das Detail wird nirgends erwähnt, dabei lässt sich daran ganz gut ablesen, dass die Geduld am Ende gewesen sein muss und ein selbiges des Festes zusehends polizeilich nach Stunden des Wartens herbeigesehnt wurde. Denn nachdem die Haspa, wie in beinahe jedem Jahr, bereits zuvor eine Scheibe einbüßen musste und die Polizei selbst daraufhin nicht einschritt, war nämlich zu Recht auf allen Seiten davon ausgegangen worden, dass, wenn nicht jemand mal zur Polizei hingeht und denen gehörig die Meinung geigt, der Abend tatsächlich endlich komplett ohne gewalttätigen Protest ausklingen würde.

Sieg oder Niederlage? Und für wen?

Viele nun geäußerte Meinungen behaupten wie selbstverständlich, darin hätte dann ein Sieg für's Viertel, das Fest und gleichzeitig eine Blamage für den Law&Order Innensenator gelegen, der nun so durch die Randale verspielt worden sei. Das ist aber natürlich blanker Unsinn, leider wird nirgends auch nur ansatzweise versucht, diese Annahme argumentativ zu begründen. Denn wie auch immer der Abend realistisch verlaufen wäre, hätte es für Innensenator nie schlechter ausgesehen als jetzt: Ein friedlicher Abend? Er hat durch massive Präsenz erfolgreich eingeschüchtert. Stundenlange Straßenschlachten von frühem Abend an? Massive Präsenz und frühes Einschreiten wie im Juli war richtig.
Eigentlich scheint tatsächlich der einzige Weg, ihn in einem nur schwer als erfolgreich formulierbaren Licht stehen zu lassen der - wenn es denn darum geht - der, den das Fest am 12.9. von sich aus gewählt hat: Der frühe Angriff auf's Fest vom Juli ist nun unwidersprochen als Auslöser für die damaligen stundenlagen Krawalle offengelegt, die Stimmung auf dem Fest selbst war bis zum erzwungenen Ende recht ausgelassen - und selbst mit über 2000 Beamten in unmittelbarer Nähe gelingt es ihm nicht, den Protest aus dem Viertel (egal wie man zu dessen Form nun stehen mag) unter die angestrebte repressive Kontrolle zu bringen. Dass er sich daraus nun mit verzweifelten Formulierungen ("Von einem Strategiewechsel kann keine Rede sein") zu retten versucht, die nicht einmal bei der DPolG Anklang finden, spricht da Bände.

Außerdem sollte zu einer Einschätzung des Festes und vor voreiliger Forderung nach irgendwie gearteten Abschwörungen seitens der Festorganisation, wie sie zu Hauf in Print wie Onlinemedien verbreitet werden, doch im mindesten statt nur einer erkennbaren Abendblattlektüre die ausführliche Stellungnahme des Vorbereitungskreises doch wenigstens überflogen werden. Doch das geht den meisten dann wohl leider doch zu weit, lässt sich Auseinandersetzung mit unliebsamen weil nicht den eigenen Positionen doch so gern einfordern aber nur so müßig selbst durchexerzieren.

Abschließend lässt sich nur wieder darüber wundern, was Leute, die sich - statt z.B. (berechtigt und notwendig) zu fragen, wie schlau es wohl ist, wenn irgendwer ohne zu überlegen Feuer in der Nähe von Wohnhäusern anzündet und ziellos umherirrend Privateigentum zerstört ohne damit sichtlich auf irgendetwas zu reagieren (Tipp: nicht sehr) - nun laut dazu bekennen doch bitte prinzipiell keine Polizei (um Worte wie Obrigkeit oder Staatsmacht zu vermeiden) anzugreifen und bitte Protest egal wogegen und wie berechtigt niemals so zu formulieren, dass er irgendwen stört, sich wohl vorstellen, wenn sie wegen des unangepassten, wilden und zumindest als Utopie weniger unterwürfigem Charme ins Viertel gezogen sind. Vorstellung vom eigenen wilden Selbst und dessen Konfrontation mit auch nur halbseidener Unangepasstheit prallen hier bereits in Weichspülversionen auf unüberwindbare Hürden. Gar nicht auszumalen, würden im Viertel Menschen tatsächlich versuchen ersnthaft 'autonom' zu leben - ein Vorhaben, das in der hiesigen Gesellschaft leider vollends fern von jeder Realität erscheint.